Frei wie ein Vogel durch die Wolken schweben, die erhabene Ruhe in der Höhe genießen… Dieses Gefühl wissen Segelflieger zu schätzen. Ich probierte die wilde Variante dieses Sports aus – einen atemberaubenden Segelkunstflug:

Ein Sport, ein Wahnsinn, pures Vergnügen? Wer einmal die irrwitzigen Kapriolen der Segelflieger vom Boden aus gesehen hat, mag glauben: das ist nur etwas für Lebensmüde, für Verrückte! Rückenflug, Aufschwung, Turns und andere Figuren – ich will es genau wissen: wie fühlt sich ein wilder Ritt im Segelflieger an? Showdown auf dem Flugplatz der Luftsportgemeinschaft Waterkant-Zetel e.V. in Friesland an der Nordsee.

Weiche Knie vorm Segelkunstflug

Ich habe etwas weiche Knie, blicke besorgt auf die weiße Zigarre vor mir. Dieses schmale Segelflugzeug aus glasfaserverstärktem Kunststoff vom Typ ASK 21 kann 280 Stundenkilometer schnell über den Himmel zischen. Da soll ich mich reinzwängen? Vereinschef Hartmut Claußen zwinkert hinter seiner Fliegerbrille: „Das klappt schon. Du hast doch keine Flugangst, oder?“ Ich drücke mich um die Antwort und lasse mich von Fluglehrer Kurt Claassen einweisen.

In der winzigen Kabine liegt man wie in einem Bob. Die zwei Sitze sind hintereinander angeordnet. Vorne der Pilot, hinten ein Plätzchen für einen Passagier. Zunächst der Fallschirm. „Für alle Fälle”, grinst Kurt. In 38 Jahren musste er nie oben aussteigen. Das soll auch so bleiben…

Michael Dunker im Segelflieger.

Michael Dunker im Segelflieger.

Die Gurte kommen von allen Seiten. Vor allem die Hüfte wird knallhart an den Sitz geschnallt. Pilot Claassen erklärt: „Gerade im Rückenflug ist der Kontakt mit dem Sitz wichtig. Hebt sich der Hintern, wird dem Passagier unwohl.” Rrritsch! Die Gurte sitzen. Sicherheitseinweisung, Notfallplan, Erklärung zu den Instrumenten wie dem Höhenmesser – Dann wird die Plexiglashaube geschlossen. Hartmut hat währenddessen den Motorsegler Samburo klargemacht. Mit einer Art Abschleppseil wird der Samburo Fluglehrer Kurt und Michi in ihrer ASK 21 auf eine Höhe von rund 1,2 Kilometern ziehen. “Schlepp” heißt dieser Vorgang.

Start in ein luftiges Abenteuer

Ein leichter Ruck geht durch den Segelflieger. Start! Hartmut gibt vorne Gas im Samburo. Wir rollen am Seil hinterher. Keine zehn Sekunden später heben wir ab. Ein tolles Gefühl! Die ASK 21 knackt hier und da, die Luft zischt draußen vorbei. Sonst ist es still. Frei wie ein Vogel! Wir genießen die Aussicht auf die norddeutsche Tiefebene. Sehen bis zum Zwischenahner Meer. Auf der anderen Seite liegt Wilhelmshaven und der Jadebusen. Bis zur Nordsee reicht der Blick. Fantastisch! Hartmut schleppt uns durch die Wolken, immer höher schrauben wir uns. Dann macht es Klick. “Wir sind dann mal weg”, funkt Kurt und geht gleich in eine sportliche Rechtskurve. Nicht einmal im Ansatz ein Vorgeschmack auf das, was gleich kommt. Fluglehrer “Kuddel” erklärt noch einmal, dass wir jederzeit abbrechen können und verweist auf die Plastiktüten in der rechten Seitentasche. Nicht notwendig, hoffe ich. Dann reißt Kuddel die Maschine hoch. Looping! Wow! Wir nutzen ein großzügiges Wolkenloch direkt, zischen durch die Kunstflugbox. Turn links, Turn rechts. Enorme Kräfte wirken auf Maschine und Mensch. Bis 280 Stundenkilometer ist die ASK 21 zugelassen. Kräfte bis zu 8 G sind möglich – theoretisch.

Turns, Rückenflug, Loopings – whoohoo!

Achterbahn? Pfff, Kinderkarussell gegen diesen wilden Ritt! Aufschwung, Rolle links, Rolle rechts, dann geht’s steil nach oben. Bis der Segelflieger seinen Schwung verliert. Für einen Moment sind wir fast schwerelos, dann kippt Kuddel die ASK 21 nach rechts. Nur zwei Wimpernschläge später beschleunigen wir auf über 200 Km/h. Yay! Und es geht nahtlos in die nächste Figur. Rückenflug! Durch die Plexiglashaube kann man nun wunderbar die Erde unter uns sehen. Ich denke an Tom Cruise und sein waghalsiges Überkopfmanöver in Top Gun – ja, so fühlt sich das an. Kopfüber lenkt Kurt das Segelflugzeug ebenso sicher wie anders herum. Wir fliegen im Kreis. Ich fühle mich sicher, gurgle vergnügt mit Adrenalin. Ein geiles Flugmanöver! “Das waren jetzt 5,5 G”, erklärt Kuddel die enormen Kräfte. Die stehen einem auch ins Gesicht geschrieben, werden wir bei der Nachbetrachtung sehen, wenn die Lefzen hinter den Ohren flattern. In einer rasanten Rechtskurve geht es zurück zum Flugplatz. Schade, aber jeder Segelkunstflug geht einmal zu Ende. Kuddel “winkt” kurz vor der Landung mit den Tragflächen – ein Fliegergruß. Dann rumpelt es kurz, wir setzen auf dem kurzgeschorenen Rasen auf. Bilderbuchlandung! Nikki und Michi sind sich sicher – das war nicht der letzte Segelkunstflug.

Nach dem Flug lassen wir uns noch den Hangar und den übrigen Flugzeugpark zeigen. Alles ist liebevoll gepflegt. “Da steckt viel Arbeit drin”, erklärt Vereinschef Hartmut. “Wenn man sich für die Fliegerei entscheidet, verbringt man seine Freizeit auf dem Flugplatz.”