Eine Mogelpackung. Pseudo-Journalismus. Unehrlich, verschleiernd. Irgendwie bäh. Klassische Werber und Verlagsredakteure sind sich ja selten wirklich einig, aber in Sachen Content Marketing bilden sie eine Front. Sie mögen diese junge Marketing-Technik nicht. Ich kenne beide Seiten des Schreibtisches. Rund 16 Jahre lang war ich Redakteur im Verlag. Verschiedene Redaktionen, unterschiedliche Positionen. Und seit knapp neun Jahren betreibe ich nun mit der eigenen Agentur Content Marketing. Und ich kann sagen: Content Marketing ist häufig der bessere Journalismus.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir reden hier nicht über investigative Recherchen oder über Nachrichten-Journalismus. Diese Disziplinen gehören ausschließlich in die Hand der vierten Gewalt im Staate. Sie müssen unabhängig sein und bleiben.

Da ist aber noch das große Feld des Nutzwert-Journalismus. Das Spielfeld von Special Interest-Titeln und diverser Publikumszeitschriften, die Grundlage vieler gedruckter Magazine und unzähliger Internet-Portale. Mehrwert und Nutzwert sind entscheidende Schlüssel für reichweitenstarke Presseerzeugnisse. Denn die Welt ist komplex und wird immer komplizierter. Konsumenten haben viele Fragen und suchen Antworten darauf. Der klassische Journalismus kann kluge Antworten geben. Aber eben auch der Unternehmens-Journalismus, also neudeutsch das Content Marketing.

Warum ist Content Marketing denn aber nun häufig der bessere Journalismus? Sind wir die „besseren“ Redakteure? Nein, denn wir sind immer noch dieselben Köpfe wie damals im Verlag. Zwei simple Antworten: Zeit und Geld.

In den Redaktionen geht es heute weitaus hektischer zu als vor 15 Jahren. Ein Redakteur muss nach wie vor recherchieren und schreiben, klar. Aber heute ist der Reporter häufig auch noch mit Fotoapparat und Videokamera unterwegs – online soll er mal eben „mitmachen“. Fotograf? Eingespart. Layouter? Kannste doch selbst. Zeit ist ohnehin ein Faktor. Denn in den Verlagen kreist der Sparhammer – immer weniger Kollegen müssen immer mehr weiße Seiten zuschreiben. Und auch online will Google News rund um die Uhr mit frischem Stoff gefüttert werden. Neue Aufgaben wie SEO kommen für Redakteure noch obendrauf.

Die Content Marketer sind den Redakteuren gegenüber hier häufig im Vorteil. Sie haben Zeit. Und meist auch mehr Budget. Bevor sich der „Unternehmensjournalist“ an die Tasten setzt, gibt es zunächst eine Strategie, ein Konzept und genaue Briefings. Von großem Wert ist auch der tiefe Einblick in das publizierende Unternehmen und seine Produkte oder Dienstleistungen. Produktmanager liefern alle Infos zu einem Produkt, kennen auch den Wettbewerb aus dem Eff Eff. Bilder werden in eigens angesetzten Fotoshootings produziert. Und der Geschäftsführer steht zum entspannten Interview bereit.

Ein Redakteur im Verlag kann von einem solchen Setting nur träumen.

Was ist denn nun Content Marketing genau? Einfach nur Schleichwerbung? Kritiker meckern: Was eigentlich Online-Werbung ist, kommt heute im redaktionellen Gewand daher und ist von diesem kaum zu unterscheiden. Wird dabei der Endverbraucher tatsächlich für dumm verkauft und manipuliert?

Ich sage: nein. Denn die Konsumenten sind aufgeklärt und zu Recht durchaus misstrauisch, wenn es um Informationen geht. Schlecht gemachte Influencer-Kampagnen werden schnell aufgedeckt. Auch als Redaktion getarnte platte Werbebotschaften entlarven sich eher früher als später selbst. Und nichts ist schlimmer, als mit falschen Versprechungen eine Produktenttäuschung zu produzieren. Ganz im Gegenteil – Content Marketing definiert seine Zielgruppe und die Botschaften an sie ganz genau, um auch langfristig gute wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen.

Professionelles Content Marketing geht offen mit dem Absender um und besetzt klug Themen, anstatt mit Preisschildern und Selbstbeweihräucherung zu hantieren. Wer seine künftigen Kunden manipuliert oder gar für dumm verkauft, wird keine Erfolge erzielen.

Es gibt auch keinen Grund, den Absender guter und nutzwertiger Texte im letzten Zipfel des Impressums zu verstecken. Eine globale Nielsen-Studie unter 28.000 Internetnutzern aus 56 Ländern ergab 2013: 58 Prozent der Befragten trauen „owned media“. Also den Botschaften, die ein Unternehmen auf seinen eigenen Websites absendet. Online-Banner liegen mit 33 Prozent abgeschlagen dahinter.
Der strategische Aufbau von Content Marketing ist einem herkömmlichen Themenplan in einer Zeitschrift in der Regel weit voraus: Zunächst geht es um „owned media“, Inhalte, die auf firmeneigenen Plattformen publiziert werden sollen. Der beste Einstieg ins Projekt liegt hier bei der Suchmaschinenoptimierung. Es wäre fahrlässig, den wertvollen Google-Traffic nicht mit abzubilden. Denn die Pull-Mechanik “Search“ hat den Reiz des geringen Streuverlusts.

Beispiel: Wer „übermäßiges Schwitzen vermeiden“ eintippt, ist einem passenden Antitranspirant sehr offen gegenüber. Lieber 1000 Suchende bei Google erreicht, als 10.000 Spaziergänger an der plakativen Kommunikation einer Litfaßsäule vorbeilaufen zu lassen. Also starten im Content Marketing zunächst Techniker, nicht Redakteure. Die Datenanalysten prüfen, wer wann und wie häufig nach welchen Begriffen sucht. Diese Keyword-Potenzialanalyse ist auch eine Fundgrube für andere Abteilungen im Unternehmen. Das Produktmanagement erfährt hier, was die Zielgruppe wirklich umtreibt. Die Analyse bildet auch eine Nullmessung. Sie zeigt, wie groß der Markt ist und wie viel Anteil davon das eigene Unternehmen derzeit hat. Daran richten sich später auch die Erfolgsmessungen im Content Marketing aus.

Die Suchbegriffsanalyse ist auch die Grundlage für die Informationsarchitektur der speziellen Content Marketing-Website. Häufig wird diese Website Content Hub oder schlicht digitales Magazin genannt. Je nach Komplexität und Aufgabenstellung kann der Content Hub eine eigenständige Domain oder aber direkt in die Corporate-Website des Unternehmens eingepasst werden.

Erst jetzt treffen sich Analysten und Journalisten. Die Redakteure formulieren nun Themen aus den Keywords. Sie machen aus blanken (Such)-Begriffen interessante Storys und gießen diese in einen Themenplan. Dann wird publiziert. Bis hierhin befinden wir uns eigentlich von im Corporate Publishing.

Aber gutes Content Marketing besteht aus zwei wesentlichen Elementen: Inhalte erstellen, Inhalte verbreiten. Die journalistische Verbreitung des Contents ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Maßnahmen: Gut platzierte Storys können erhebliche Besucherströme auf die eigene Website lenken, stärken neben dem möglichen Abverkaufsziel gleichzeitig Awareness und Branding von Marken und Unternehmen.

Clevere Content Marketer entwickeln Geschichten, die in mehreren Welten funktionieren: Die eigene Website (inklusive SEO), Social Media und PR. Es ist die Kraft der guten Geschichte: Was für den Verbraucher interessant ist, hat auch eine Relevanz bei Journalisten. Ich nenne diese Spezialform Editorial Marketing. Es ist für mich der Königsweg im Content Marketing: Die Geschichte muss so gut sein, dass Journalisten diese gern aufnehmen und verbreiten.

Ein wunderbarer Hebel sind zum Beispiel repräsentative Umfragen oder Studien. Das beauftragende Unternehmen wird so zum Eigentümer der Nachricht und kann damit ein Thema besetzen. Medien nehmen diese – unabhängig erhobenen – Fakten gern auf. Vor allem dann, wenn sie informativ und leserfreundlich aufbereitet sind. Mit Infotainment-Texten, interaktiven Grafiken und Videos.
Ich sehe in meiner Arbeit täglich, dass Content Marketing-Storys von den Medien aufgegriffen und verbreitet werden. Ein Ritterschlag für diese junge Marketing-Technik. Und die beste Antwort auf nörgelnde Werber und Redakteure.