
KI-Kaufberatung – OpenAIs Frontalangriff auf Google und Verlage
- Mai 01, 2025
- by
- Michael Dunker
Wow! Das ging wieder einmal ebenso lautlos wie schnell. ChatGPT wird zur Shopping-Plattform! Ein Frontalangriff auf Google mit seinen Werbefeatures. Und ein weiterer herber Schlag für Publisher, Affiliates und Verlage. Denn OpenAI ist plötzlich Kaufberater. Eine bisher zutiefst journalistische Aufgabe.
Inhalt
- 1 So funktioniert’s – auch in Deutschland
- 2 GPT-4o als Treiber der neuen „Erfahrung“
- 3 Frontalangriff auf Google: Conversational Commerce heißt das Zauberwort
- 4 Warum das neue Feature eine direkte Konkurrenz für Publisher und Affiliates darstellt
- 5 Ja, die schlauen Kälber fragen ihren Metzger selber
- 5.1 1. Fokus auf Tiefe, nicht Breite
- 5.2 2. Markenbildung & Expertenstatus
- 5.3 3. KI als Werkzeug, nicht Gegner
- 5.4 4. Exklusive Inhalte & Paywalls
- 5.5 5. Multimediales Erzählen
- 5.6 6. Eigene Produkte oder Services entwickeln
- 5.7 7. API-Integration prüfen
- 5.8 Fazit: Wer nur testet, verliert – wer einordnet, gewinnt.
Mit der Einführung visueller Produktempfehlungen beginnt nichts anderes als eine neue Ära des digitalen Einkaufens. Auch Nutzer in Deutschland können ab sofort auf diese Funktion zugreifen – mit einigen Besonderheiten.
„Today we’re starting to roll out a better shopping experience.“
Mit dieser schnörkellosen Ankündigung (X-Beitrag) hat OpenAI eine neue Funktion aktiviert, die tiefgreifende Veränderungen im Onlinehandel andeutet. Ohne großes Tamtam wurde am 28. April 2025 weltweit eine neue Shopping-Experience in ChatGPT ausgerollt. Wer nun produktbezogene Fragen stellt – etwa zu Laptops, Wanderschuhen oder Küchengeräten – bekommt nicht nur textbasierte Tipps, sondern ein visuelles Produkt-Karussell mit kuratierten Empfehlungen.
Diese Empfehlungen basieren auf Preis, Bewertungen, Produktdetails, Nutzerintention und weiteren Faktoren. Es handelt sich dabei nicht um Werbung oder bezahlte Platzierungen, sondern um eine KI-gestützte Hilfestellung bei der Kaufentscheidung.
So funktioniert’s – auch in Deutschland
Nutzer in Deutschland und dem gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) können die neue Shopping-Funktion bereits verwenden. Die visuelle Produktauswahl – inklusive Bildern, Preisen, Bewertungen und Kauf-Links – ist auch hierzulande vollständig integriert. Allerdings gibt es aufgrund der Datenschutzverordnung (DSGVO) derzeit eine wichtige Einschränkung: Personalisierte Empfehlungen, die auf individuelle Vorlieben oder bisheriges Verhalten zurückgreifen, sind in Europa vorerst deaktiviert.
Trotzdem verspricht das neue Feature einen starken Nutzen: Statt sich durch lange Listen oder Werbeanzeigen zu klicken, bekommen Nutzer Vorschläge direkt im Chat. Die Konversation bleibt natürlich, schnell und zielgerichtet – genau das, was Conversational Commerce verspricht.
GPT-4o als Treiber der neuen „Erfahrung“
Technologisch basiert die neue Shopping-Funktion auf GPT-4o, dem Multimodal-Modell von OpenAI. Die KI selbst erklärt: „Es kombiniert Textverarbeitung, Bildanalyse und bald auch Sprach- und Videofunktionen zu einem integrierten Nutzererlebnis. GPT-4o ist nicht nur schneller und effizienter als seine Vorgänger, sondern kann auch Nutzerabsichten besser interpretieren und Empfehlungen auf diese Intention hin zuschneiden.“
Was bedeutet das für Marken und Händler? Die Einführung von Shopping in ChatGPT ist nicht nur ein neues Feature – sie markiert einen Paradigmenwechsel. Der Kontakt zum Kunden verschiebt sich von Suchmaschinen und Plattformen hin zu KI-gesteuerten Interfaces. Wer künftig im Relevant-Set eines Käufers landen will, muss verstehen, wie man Produkte für solche Systeme verfügbar und sichtbar macht.
OpenAI hat bereits ein Interessenformular für Händler veröffentlicht, die ihre Produkte künftig direkt über ChatGPT verfügbar machen möchten. Damit eröffnet sich auch für kleinere Marken die Chance, ohne Budget für Werbung direkt in Beratungsgespräche mit potenziellen Käufern eingebunden zu werden.
Was auf den ersten Blick wie Google Shopping aussieht, ist in Wahrheit ein KI-gestützter Einstieg in den Conversational Commerce. Die KI selbst erklärt vollmundig: „OpenAI zeigt, wie man Technologie sinnvoll einsetzt, um das Leben der Menschen zu vereinfachen – ohne Werbung, dafür mit echtem Mehrwert. Für Nutzer in Deutschland bedeutet das: Die neue Funktion ist da, funktioniert und könnte bald sogar noch persönlicher werden – wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen es zulassen. Bis dahin erleben wir bereits jetzt eine neue, dialogorientierte Art des Einkaufens, die so intuitiv ist, wie ein Gespräch mit einem guten Freund.“ Was für die Konsumenten prima klingt, liest sich für die Marktteilnehmer eher beängstigend…
Frontalangriff auf Google: Conversational Commerce heißt das Zauberwort
OpenAI greift mit den neuen Shopping-Features so direkt in ein Feld ein, das bisher klar von Google dominiert wurde – nämlich der Produktsuche und -empfehlung im digitalen Raum.
Die Suchintention wird schlicht schon vor der Google-Suchmaske abgefangen. Wenn Nutzer direkt ChatGPT fragen, welches Produkt sie kaufen sollen, entfällt der Weg über den bunten Suchriesen. Das ist ein direkter Verlust an Suchvolumen – insbesondere an hochkonvertierendem, kommerziellem Traffic. Die kuratierte Empfehlungen sind eben keine gewinnbringenden Anzeigen: Während Google Shopping vor allem von bezahlten Einträgen lebt, zeigt ChatGPT keine Werbung, sondern objektiv bewertete Produktempfehlungen. Das erhöht die Glaubwürdigkeit – und untergräbt das Geschäftsmodell von Google Shopping. OpenAI will die Kaufberatung in ein Gespräch verlagern. Conversational Commerce heißt das Zauberwort – ein Bereich, in dem Google bislang nur oberflächlich agiert. Der Dialog ist persönlicher, zielgerichteter und oft schneller am Ziel.
Je mehr Nutzer sich daran gewöhnen, Shopping-Anfragen direkt an ChatGPT zu stellen, desto weniger Abhängigkeit besteht von Suchmaschinen wie Google. OpenAI schafft damit ein eigenes, alternatives Ökosystem für Produktentdeckungen.
OpenAI gibt sich siegessicher: „Search has become one of our most popular & fastest growing features, with over 1 billion web searches just in the past week“. Bämm.
OpenAI stellt sich hier strategisch sehr klar gegen Google – allerdings nicht mit denselben Mitteln, sondern mit einer neuartigen Nutzererfahrung. Es geht weniger um eine Kopie von Google Shopping, sondern um die Ablösung klassischer Suchpfade durch KI-gestützte Beratung. Die Folge: ein tiefgreifender Wandel, wie wir Online-Einkäufe vorbereiten und Entscheidungen treffen.
Warum das neue Feature eine direkte Konkurrenz für Publisher und Affiliates darstellt
OpenAI greift mit seiner neuen Shopping-Funktion auch in das traditionelle Geschäftsmodell journalistischer Publisher ein. Denn die Aufgabe, Produkte zu bewerten, zu vergleichen und Kaufentscheidungen zu erleichtern, war lange ein zentraler Bestandteil redaktioneller Arbeit – von Testberichten über Bestenlisten bis hin zu Affiliate-finanzierten Einkaufsberatungen.
Die redaktionelle Expertise wird automatisiert. ChatGPT liefert binnen Sekunden Kaufempfehlungen, die auf objektiven Kriterien wie Preis, Bewertung, Ausstattung und Nutzerintention basieren – also genau den Faktoren, auf die auch journalistische Kaufberatungen setzen. Und zwar on demand, hyperpersonalisiert und exakt. Damit wird die KI einen weiteren Traffic-Verlust für die Publisher bedeuten. Wenn Nutzer ihre Informationssuche nicht mehr bei Google beginnen – und dort auf Verlagsangebote stoßen – sondern direkt ChatGPT nutzen, entzieht das den Publishern Sichtbarkeit, Reichweite und letztlich Einnahmen.

Das dürfte den Verlagen extremes Unbehagen bereiten. Auch und vor allem der BILD-Gruppe. Denn die CEO Carolin Hulshoff Pol hatte gerade in der aktuellen Ausgabe des Branchenblattes Meedia noch die optimistische Parole ausgegeben: „Kaufberatung ist für uns ein Wachstumsgeschäft“. So brutal bestätigt sich die alte Binse „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“. Zumindest für Verlage.
Dazu kommt: Während die Verlage und Journalisten gegen sinkendes Vertrauen bei den Nutzern kämpfen, schließlich sind auch sie werbefinanziert, kann die KI an Autorität zulegen. Viele Nutzer empfinden KI-gestützte Empfehlungen als neutraler oder pragmatischer als redaktionelle Inhalte, die eben zunehmend als werblich wahrgenommen werden – ob zu Recht oder nicht.
Und auch Affiliate-Modelle dürften ins Wanken kommen. Bisher lebten viele Publisher von Affiliate-Provisionen für vermittelte Verkäufe. Tausende KMU wurden nur für diesen Zweck gegründet und leben von ihren Produktempfehlungen. Wenn ChatGPT aber künftig direkt zur Transaktion führt – ohne Umweg über einen redaktionellen Artikel – entfällt dieses Erlösmodell.
Die visuelle Kaufberatung von ChatGPT ist ein Paukensachlag. Ein massiver Eingriff in das publizistische Ökosystem. Sie verschiebt die Rolle des Journalismus – weg vom puren Kaufberater, hin zum Kontextgeber, Erklärer oder Analysten.
Das stellt Redaktionen jetzt vor die Frage: Was ist unser USP, wenn eine KI die Beratung übernimmt?
Ja, die schlauen Kälber fragen ihren Metzger selber
Es klingt vielleicht ein bisschen seltsam, den Henker zu fragen, wie man den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen kann. Aber wen, wenn nicht den ultimativen unabhängigen Ratgeber sollte man um Hilfe bitten? ChatGPT gibt sich dann auch jovial und auskunftsbereit auf den Prompt:
Was können Journalisten, Affiliates und Publisher nun tun, um ihr Geschäft zu schützen? Bitte konkrete Tipps.
„Gute Frage – und sie ist zentral für alle, die bisher auf journalistische Produktberatung, Affiliate-Modelle oder SEO-Traffic gesetzt haben. Die KI-gestützte Kaufberatung durch ChatGPT & Co. verändert das Spielfeld radikal. Aber: Es gibt Handlungsspielräume. Hier sind konkrete Strategien, wie sich Journalisten, Affiliates und Publisher jetzt neu aufstellen können, um ihr Geschäft zu schützen – und sogar neu zu positionieren:
1. Fokus auf Tiefe, nicht Breite
Tipp: Schaffe Inhalte mit echtem Nutzwert, die über reine Produktvergleiche hinausgehen.
- Statt „Top 10 Laptops unter 1000 Euro“ → lieber: „Wie ich nach 6 Wochen im Ausland mit dem Lenovo IdeaPad gearbeitet habe – ein Erfahrungsbericht“.
- Persönliche Erfahrung, Langzeittests, Kontexte wie „Nachhaltigkeit“ oder „Kaufreue“ kann eine KI schwer abbilden.
Warum? KI liefert Informationen, aber keine Erfahrungen. Authentizität wird zum neuen Premium.
2. Markenbildung & Expertenstatus
Tipp: Positioniere dich oder deine Plattform als vertrauenswürdige, menschliche Stimme.
- Autoren-Branding stärken (z. B. „Die Empfehlungen von XY – Technikredakteur seit 15 Jahren“)
- Newsletter, Podcasts oder Communitys aufbauen, in denen Leserbindung entsteht
Warum? Vertrauen ist die neue Währung im Informationsüberfluss. Wer eine loyale Leserschaft hat, ist nicht ersetzbar.
3. KI als Werkzeug, nicht Gegner
Tipp: Nutze KI selbst zur Content-Erstellung, Recherche und Personalisierung.
- KI-basierte Tools (wie ChatGPT, Claude, Perplexity) zur Ideenfindung, Zusammenfassung oder Formatvariation einsetzen
- Produktdaten automatisiert analysieren und bewerten, um redaktionelle Arbeit effizienter zu machen
Warum? Wer KI richtig nutzt, kann schneller und präziser publizieren – und mehr Inhalte testen.
4. Exklusive Inhalte & Paywalls
Tipp: Entwickle Inhalte, die nicht frei im Netz verfügbar sind.
- Zugang zu exklusiven Testdaten, Preisvergleichen, Händlerbewertungen
- Tiefere Einblicke oder Beratung als Premium-Content
Warum? Wenn KI das Allgemeine abdeckt, wird das Besondere wertvoll – und monetarisierbar.
5. Multimediales Erzählen
Tipp: Setze verstärkt auf Video, Podcasts, interaktive Grafiken.
- Ein YouTube-Video mit ehrlicher Produktbewertung ist schwer durch KI zu ersetzen
- Nutzerbindung ist höher, Werbeplatzierungen oft attraktiver
Warum? KI kann Text generieren – aber lebendige Formate bleiben menschlich.
6. Eigene Produkte oder Services entwickeln
Tipp: Schaffe Mehrwert jenseits von Content.
- Beispielsweise eigene Tools, Vergleichsrechner, Newsletter-Pakete oder Beratungsangebote
- Oder: physische Produkte, digitale Kurse, Events
Warum? Content ist nur der Einstieg – Monetarisierung kann über Services und Lösungen erfolgen.
7. API-Integration prüfen
Tipp: Denk darüber nach, deine Inhalte (z. B. Testdaten, Bewertungen) selbst als strukturierte Daten OpenAI oder anderen KI-Anbietern zur Verfügung zu stellen – ggf. gegen Bezahlung oder Verlinkung.
Warum? Wer nicht Teil des Systems ist, wird vom System ersetzt. Kooperation statt Konfrontation kann smarter sein.
Fazit: Wer nur testet, verliert – wer einordnet, gewinnt.
Der journalistische Auftrag verändert sich: Weg vom reinen Beraten, hin zum Erklären, Bewerten, Begleiten. KI übernimmt Standardaufgaben. Menschen punkten mit Haltung, Erfahrung und Authentizität.“
2 Comments
Tom Röhricht
2nd Mai 2025 - 15:51Wo kann ich diese „by Michael Dunker“ KI runterladen?
Michael Dunker
5th Juni 2025 - 11:26In allen Bahnhofsbuchhandlungen!